Nadis/Granthis

Nadis/Granthis

Die Lehre der Energiekanäle (Nadis) im Körper zeigt wunderbar auf, wie das Gleichgewicht wiederhergestellt werden kann.

In allen Lebewesen gibt es polare Gegensätze, wie Licht – Schatten, Sonne – Mond, Himmel – Erde, männlich – weiblich, etc. Diese dualistischen Aspekte stehen einander gegenüber, trotzdem benötigen sie einander. Niemals kann nur eines alleine existieren.

Es gibt einen Sender und einen Empfänger, einen Gebenden und einen Nehmenden. Im Sanskrit, der Ursprache der Inder, werden die positiven Ströme mit dem Ton HA bezeichnet, was SONNE bedeutet. Der negative Strom wird mit dem Laut THA bezeichnet – das bedeutet MOND. Demzufolge bedeutet HATHA-Yoga, die beiden gegensätzlichen Energien ins Gleichgewicht zu bringen und somit die aktive und passive Seite des Menschen in den inneren Zustand der Einheit zu führen.

Auch die Erde hat einen positiven und einen negativen Pol, der sich im Menschen spiegelt. Der Wechsel des Atems, der pulsierende Herzschlag und der daraus entstehende Rhythmus beleben das ganze Universum. Auf dem Schädel setzt in spiraliger Wirbelform der Haarwuchs an – direkt darunter findet sich im Gehirn der positive Pol. Der negative Pol befindet sich im letzten Wirbelknochen des Steißbeins. Das Rückgrat ist der Träger des Lebens.

Die beiden Pole sind über subtile Energiekanäle (Nadis) miteinander verbunden. Nadis entstehen bereits im Mutterleib und bilden ein ganzes Netzwerk von feinen, sich verästelnden Bahnen, die durch deinen Körper laufen. Die Nerven, die Blutgefäße und auch die Knochen sowie die Muskeln formen sich um diese Kanäle herum. Die gesamte Struktur des Körpers ist somit eine vollkommene Widerspiegelung dieses Netzwerks aus Lichtkanälen. Dieses Lichtnetzwerk beginnt beim Svadhisthana Chakra (Nabelchakra) zu wachsen und verzweigt sich in feinen Kanälen in alle Richtungen, wie die Speichen eines Rades. Von ihnen zweigen dann wiederum andere, einschließlich der drei größten und wichtigsten Kanäle (Pingala Nadi, Ida Nadi und Sushumna Nadi), nach oben und unten ab.

Voraussetzung für inneres Gleichgewicht ist ebenfalls eine gleichwertige Aktivität der beiden Gehirnhemisphären. Dabei ist zu beachten, dass die linke Gehirnhemisphäre die rechte Körperhälfte steuert und die linke Körperhälfte wird von der rechten Gehirnhemisphäre beeinflusst.

Rechts von der Wirbelsäule liegt Pingala Nadi, der Sonnenkanal. In diesem Kanal fließen aktive Gedanken, die von der linken Gehirnhälfte gesteuert werden. Der Verstand selektiert Ausschnitte aus deinem Alltagsgeschehen und analysiert, bewertet und vergleicht sie auf Grund deiner Vergangenheit. Die Erkenntnisse daraus projizierst du in deine Zukunft und erschaffst so mit den Gedanken deine Realität.

Auf der linken Seite der Wirbelsäule liegt Ida Nadi, der Mondkanal. In diesem Kanal fließen gefühlsbetonte Gedanken, die von der rechten Gehirnhälfte gesteuert werden. Gefühle kannst du ausschließlich in der Gegenwart wahrnehmen. Über deine Sinnesorgane erlebst du die Realität des Alltags. Wahrhaftige Gefühle sind frei von Bewertungen, sie kennen keine Sorgen, sie sind still und friedlich. Gefühle sind die Sprache deiner Seele.

Der mittlere, wichtigste Kanal läuft als Mittellinie durch den Körper, als die Achse, aus der alle anderen Kanäle hervorgehen. Sushumna Nadi ist der Kanal der Erkenntnis. Darin fließen die Gedanken der Freude und der Reinheit; Gedanken der Gnade und des Friedens.

In den Kanälen befinden sich unsichtbare Energieströme, die gemeinsam mit den Gedanken auf und ab fließen. Der Geist, ein steter Fluss von Gedanken, Gefühlen, Erinnerungen, Phantasien und Wahrnehmungen, reitet sozusagen auf diesen Energieströmen, wie ein Surfer mit seinem Brett über die Wellen. Sie bewegen sich gemeinsam und sind untrennbar miteinander verbunden.

Ida und Pingala ranken sich den Rücken hinauf und hinab wie Weinreben und überkreuzen sich jeweils zwei Mal auf Höhe der Taille (Brahma Granthi), direkt hinter dem Herzen (Vishnu Granthi) und am untersten Teil des Nackens (Rudra Granthi). An diesen Punkten kreuzen sie Sushumna Nadi, was sie in die Lage versetzt, diesen mittleren Kanal zu blockieren. Dies geschieht, wenn sie randvoll mit abschlägigen Gedanken und somit dick und kräftig sind.

Solange zwischen den beiden Polen eine Verbindung besteht und die Energieströme ungehindert fließen, lebt in deiner Empfindung der Körper. Du fühlst dich zentriert und gesund.

Wenn jedoch ein Ungleichwicht der Energieströme besteht, ist der Zeitpunkt gekommen, etwas im Leben zu verändern. Die Bewusstwerdung des Leidens ist der erste Schritt dazu. Als zweiten Schritt gilt es herauszufinden, welche Veränderung du bereit bist, umzusetzen. Ein bewusster Atem, wie zum Beispiel die ‚vollständige Yogiatmung‘, unterstützt dich dabei, denn die Atmung ist die Basis des Seins.

Quelle: ‘Die Seele will atmen – Eine Reise zu deinem Herzen’ von Samira Henning (Phänomen Verlag)